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„Die Schä­den sind schon da“

Nach dem katastrophal trockenen Sommer 2018 werden die Landwirte auch in diesem Jahr keine Spitzenernte einfahren können, sagt GDV-Landwirtschaftsexperte Rainer Langner im Interview. Angesichts der häufigeren Wetterextreme plädiert Langner dafür, die Planungssicherheit der Bauern zu verbessern statt weiter auf staatliche adhoc-Hilfen zu setzen.

Herr Langner, nach 2018 droht nun schon das zweite Dürrejahr in Folge – was  bedeutet das für die Landwirtschaft?

Rainer Langner: Nach dem trockenen Sommer 2018 hatten wir schon im Winter und nun auch in diesem Frühling nur sehr wenig Niederschläge. Die ausgetrockneten Böden konnten sich dadurch nicht wieder ausreichend mit Wasser füllen, die Reserven in den tieferen Bodenschichten sind erschöpft – in Tiefen ab 25 bis 30 Zentimeter ist alles trocken, insbesondere nördlich der Main-Linie. Und alle verfügbaren Prognosen gehen davon aus, dass sich auch im Mai an dieser Situation kaum etwas ändern wird. Die erwarteten Regenmengen machen vielleicht die Oberflächen etwas feucht, helfen aber nicht wirklich. Was die Landwirte bräuchten, wäre eine ausgedehnte Regenperiode – aber die ist nicht in Sicht. Für die Ernte in diesem Jahr können wir jetzt schon sagen: Spitzenerträge sind auf keinen Fall zu erwarten, aber das Ausmaß der Schäden werden wir erst im Juli/August genau kennen.

Sind denn bereits jetzt irreparable Schäden an den Pflanzen entstanden oder könnte ausreichender Regen in den kommenden Wochen den trockenen Frühling wieder wettmachen?

Langner: Die Schäden sind schon da. Der Raps blüht und das Getreide fängt bald an, die Ähren zu schieben. Die Landwirte merken, dass die Trockenheit ihren Pflanzen jetzt schon zugesetzt hat. Sie haben ihre Erwartungen an die Ernte entsprechend heruntergeschraubt. Das heißt aber noch nicht, dass wir ein Katastrophenjahr wie 2018 auch in diesem Jahr erleben werden. Wie groß die Ernteausfälle tatsächlich ausfallen, hängt jetzt ganz entscheidend von den kommenden Wochen ab.

Gehören zwei Dürrejahre in Folge langfristig betrachtet noch zu den normalen Wetterphänomenen? Oder müssen wir uns angesichts des Klimawandels auf eine neue Normalität einstellen?

Langner: Zwei direkt aufeinander folgenden Dürrejahre wären schon sehr außergewöhnlich und für die Land- und Forstwirtschaft eine hohe Belastung. Ob und welches Extremwetter nun tatsächlich Folge des Klimawandels ist, werden wir nie mit Sicherheit sagen können. Wir registrieren aber, dass die Wetterextreme zunehmen: Die Ausreißer kommen öfter und sie führen zu größeren Schäden – und die höchsten Schäden entstehen durch Trockenheit.

Trotzdem ist aktuell so gut wie kein Landwirt gegen Dürre versichert. Warum?

Langner: Trockenheit ist ein sogenanntes Kumulrisiko. Sie kommt eigentlich nicht allzu häufig vor – aber wenn es dann aber mal für längere Zeit nicht regnet, sind davon gleich mehrere Regionen betroffen und der Schaden ist entsprechend groß – sowohl beim einzelnen Landwirt als auch für die gesamte Volkswirtschaft. Die Prämien und Selbstbehalte für den Versicherungsschutz sind daher so hoch, dass sich momentan kaum ein Landwirt den Versicherungsschutz leisten kann. Wir haben zwar nach dem letzten Sommer eine leicht erhöhte Nachfrage nach Versicherungsschutz registriert, aber deutschlandweit dürften unserer Einschätzung nach keine 50.000 Hektar gegen Trockenheit versichert sein – also weniger als 0,2 Prozent der Anbaufläche.

In vielen anderen EU-Ländern sind Bauern hingegen flächendeckend auch gegen Dürreschäden versichert. Warum ist der Versicherungsschutz dort erschwinglich und in Deutschland nicht?

Langner: Ganz einfach: Weil drei Viertel der EU-Staaten – etwa Frankreich, Italien, Spanien, Polen, Österreich oder Niederlande – die sogenannten Mehrgefahrenpolicen bezuschussen. Die schließen alle Wetterrisiken ein, also auch Trockenheit. Die Förderung liegt teilweise bei 70 Prozent. Und dann können die Bauern sich eine solche Police auch leisten.

Wären solche Zuschüsse auch eine Lösung für Deutschland, um Landwirte gegen Dürre zu schützen?

Langner: Es wäre sogar die beste Lösung. Die Folgen des Klimawandels zu bewältigen, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Insofern sehe ich auch die Politik in der Verantwortung. Wir Versicherer wären jedenfalls in der Lage, eine erhöhte Nachfrage an Mehrgefahrenversicherungen zu bedienen. Und die Landwirte wären in trockenen Jahren nicht mehr auf adhoc-Hilfen der Politik angewiesen, sondern hätten einen klaren Anspruch darauf, dass die Versicherung die entstandenen Schäden ersetzt. Für die Planungssicherheit der landwirtschaftlichen Betriebe wäre das ein enormer Fortschritt.