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Globale Getreide- und Ölsaatenmärkte vor der Ernte 2020 – wo geht die Reise hin?

Wie gewohnt, hat das US-Landwirtschaftsministerium (USDA) am 12. Mai 2020 die erste Vorhersage der Angebots- und Nachfrageentwicklung auf den globalen Märkten für Getreide und Ölsaaten im kommenden Wirtschaftsjahr 2020/21 (Juli/Juni) veröffentlicht. Alle Marktteilnehmer haben in diesem Jahr mit Spannung nicht nur auf die Prognosen für die Erntemengen gewartet, sondern vor allem auch auf die Einschätzung der Nachfrageentwicklung angesichts der Corona-Pandemie.

In einem Satz zusammengefasst, lässt sich der Ausblick des USDA wie folgt zusammenfassen: Sowohl bei Getreide als auch bei Ölsaaten stehen große Ernten ins Haus, die zwar auf eine steigende Nachfrage treffen, aber dennoch höhere Lagerbestände nach sich ziehen. Ins Detail gehend, zeichnen sich aktuell folgende Entwicklungen für das Wirtschaftsjahr 2020/21 ab:

■ Weizen

Die Weltweizenernte wird auf die Rekordmenge von fast 780 Mio. t veranschlagt, ein Plus von ca. 4 Mio. t im Vergleich zum letzten Jahr. Der Zuwachs in der Produktion entfällt dabei vor allem auf wichtige Exportländer von Weizen, auf Russland, Kanada und vor allem Australien (Wiederanstieg der Produktion nach der extremen Trockenheit im letzten Jahr).

In der EU muss dagegen wegen des Rückgangs der Anbauflächen (vor allem in Frankreich und Großbritannien) und der bisher in einigen Gebieten schlechten Wachstumsbedingungen mit einem deutlichen Rückgang der Erzeugung gerechnet werden. Das USDA schätzt die Produktion aktuell im Vergleich zu 2019 um 12 Mio. t niedriger auf nur 143 Mio. t (einschließlich Durum). Nicht so pessimistisch war die EU-Kommission, die in ihrer Schätzung von Ende April von einer EU-Weichweizenernte von etwa 126 Mio. t ausgegangen war im Vergleich zu 131 Mio. t in 2019. Etliche Marktbeobachter gehen allerdings davon aus, dass die bis in den Mai anhaltende Trockenheit in einigen EU-Mitgliedsstaaten zu Ertragsverlusten geführt hat und deshalb die Prognosen in den nächsten Wochen sich der des USDA annähern werden.

Gleichzeitig mit der Erzeugung steigt der weltweite Verbrauch von Weizen weiter an, bleibt aber hinter dem Produktionszuwachs zurück. Der Nachfragezuwachs kommt dabei aus dem Nahrungsmittelbereich (weiter steigende Bevölkerung, Veränderung der Ernährungsgewohnheiten), während weniger Weizen zugunsten von Mais im Futter landen wird.

Der Welthandel mit Weizen wächst ununterbrochen weiter um ca. 4 Mio. t auf 186 Mio. t. Russland wird dabei seine Stellung als weltweit wichtigstes Exportland für Weizen ausbauen. Zudem werden die australischen Ausfuhren wieder auf das „normale“ Maß ansteigen.

Die EU wird 2020/21 das hervorragende Ergebnis nicht wiederholen können. Die kleinere Ernte und das höhere Angebot aus Russland und auch aus der Ukraine werden dazu führen, dass die EU-Weizenausfuhren im Vergleich zu den ca. 32 Mio. t in 2019/20 um 4-5 Mio. t auf ca. 27 Mio. t sinken werden.

Die Weltweizenbestände werden um rund 5 Mio. t auf die Rekordmenge von ca. 310 Mio. t steigen. Unverändert wird davon rund die Hälfte auf China entfallen. Für die Markt- und Preisentwicklung entscheidend: zum ersten Male seit vier Jahren werden die die Bestände in den acht großen Exportländern zum Ende des Wirtschaftsjahres 2020/21 wieder steigen.

Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass aus heutiger Sicht die Preise auf dem globalen Weizenmarkt unter Druck bleiben werden und zurzeit wenig Luft nach oben haben.

■ Mais

Die Welterzeugung von Mais strebt 2020/21 einen neuen Rekord an. Aufgrund der Flächenausdehnungen in allen großen Exportländern (USA, Brasilien, Ukraine, Argentinien) könnte die Produktion um mehr als 70 Mio. t auf ca. 1,19 Mrd. t steigen und die bisherige Rekordernte aus 2016/17 deutlich übertreffen.

Die stärkste Produktionsausweitung wird für die USA erwartet, da die Erträge im letzten Jahr deutlich unterdurchschnittlich waren und die Anbaufläche für 2020 (Aussaat ist noch im Gange) um ca. 10 % ausgedehnt wird. Entsprechend geht das USDA aktuell von einer US-Maisernte in Höhe von etwa 406 Mio. t aus, ein neuer Rekord und ein Plus von fast 60 Mio. t im Vergleich zu 2019.

In der Ukraine wird auch 2020 erneut mehr Mais als im Vorjahr eingebracht werden. Zurzeit spricht alles für eine Rekordernte von ca. 33 Mio. t, nochmals 1 Mio. t mehr als im Vorjahr.

Auch in Brasilien steigt die Maiserzeugung unverändert an, so dass ebenfalls mit einer Rekordernte von etwa 106 Mio. t gerechnet werden kann (plus 5 Mio. t gegenüber 2019).

In der EU hat die Maisanbaufläche trotz der Ausweitung in Frankreich insgesamt leicht abgenommen. Da aber mit etwas höheren Erträgen gerechnet wird, könnte die EU-Maisproduktion dennoch auf Vorjahresniveau, also bei rund 69 Mio. t, liegen.

Trotz einer Erholung der Nachfrage insbesondere für die Ethanol Herstellung in den USA und den Futtersektor in China (Wiederaufbau der Schweinebestände nach Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest), wird das Produktionswachstum die Zunahme des Maisverbrauchs übersteigen, so dass die Bestände erstmals nach vier Jahren wieder steigen werden. Insbesondere die USA werden aufgrund ihrer Rekordernte die Vorräte aufstocken müssen. Damit bleiben auch die Maispreise unter Druck. Hieran dürfte sich nur dann etwas ändern, wenn es während der Bestäubungsphase im Juli in den USA zu einer ausgeprägten Trockenheit kommen sollte und dann größere Ertragsverluste drohen.

Der Welthandel mit Mais wird vom niedrigeren Preisniveau profitieren und 2020/21 zunehmen. Das USDA prognostiziert einen Anstieg um ca. 8 Mio. t auf etwa 183 Mio. t.

■ Gerste

Die Weltgerstenerzeugung wird mit ca. 154 Mio. t nur leicht unter der des Vorjahres liegen. Insgesamt dürfte der Markt gut versorgt bleiben. Jede zusätzliche Exportnachfrage dürfte leicht durch Australien ausgeglichen werden, da wie bei Weizen auch bei Gerste mit einer Rückkehr zu einer normalen Ernte gerechnet werden kann.

Die internationale Nachfrage nach Futtergerste dürfte aufgrund der hohen Verfügbarkeit von preiswertem Mais leicht rückläufig sein. Schwer abzuschätzen bleibt die Nachfrage nach Braugerste. Durch die Corona-Krise hat der Bierabsatz stark gelitten und zu kleinerem Bedarf an Braugerste und Malz geführt.

■ Sojabohnen

Die drei großen Anbauländer USA, Brasilien und Argentinien werden den Anbau für 2020/21 ausweiten und nach heutigem Stand größere Ernten einfahren. Entsprechend schätzt das USDA die Soja-Welterzeugung auf die Rekordhöhe von rund 363 Mio. t, ein Plus von fast 27 Mio. t bzw. 8 % im Vergleich zu 2019/20.

Brasilien wird mit einer Ernte von über 130 (Vorjahr 124) Mio. t erneut das weltweit größte Produktionsland bleiben, gefolgt von den USA mit ca. 113 (97) Mio. t und Argentinien mit 53,5 (51) Mio. t.

Das erwartete Wachstum der Nachfrage basiert vor allem auf der Hoffnung, dass die Sojabohnenimporte Chinas mit 96 Mio. t auf Rekordhöhe steigen, plus 4 Mio. t im Vergleich zum Vorjahr und plus 12,5 Mio. t zu 2018/19. Hierhinter verbirgt sich die (optimistische?) Annahme, dass in China die Folgen sowohl der Afrikanischen Schweinepest als die Corona-Pandemie ausgestanden sind und die Nachfrage nach Eiweißfuttermitteln in China wieder parallel mit den Schweinebeständen stark ansteigt.

Auch für die Sojapreise gilt natürlich, dass die weitere Wetterentwicklung Haupttreiber der weiteren Entwicklung sein wird. Sollten witterungsbedingte Ertragsverluste und ein Wiederaufflammen des Handelskonflikts zwischen den USA und China ausbleiben, lässt die Versorgungslage aber wenig Fantasie für steigende Preise zu.

■ Rapssaat

Mit gut 70 Mio. t schätzt das USDA die Weltproduktion von Raps in 2020/21 um rund 3 Mio. t höher als im Vorjahr. Kanada wird wahrscheinlich am stärksten zu diesem Wachstum beitragen.

Die EU-Rapsernte wird auf dem niedrigen Niveau des Vorjahres von rund 17 Mio. t verharren. Damit wird die EU wie im Vorjahr erneut etwa 6 Mio. t Raps vom Weltmarkt importieren müssen.

Die Preise für Raps werden sich auch 2020/21 überwiegend an denen von Soja und Palmöl orientieren müssen. Eine deutliche Erholung kann wahrscheinlich erst dann möglich werden, wenn die Erdölpreise wieder deutlich steigen.

Keine Frage, die wichtigsten Wachstums- und Witterungsphasen für die Ernten 2020 liegen noch vor uns. Dementsprechend ist die erste Schätzung des USDA für das kommende Wirtschaftsjahr 2020/21 wie immer mit Vorsicht zu betrachten. Während die Höhe der Anbauflächen in weiten Teilen feststehen dürfte, bleibt natürlich eine große Unsicherheit bei den Erträgen. Nicht in allen wichtigen Anbauregionen war der bisherige Verlauf der Wachstumsperiode optimal. Gerade in vielen Teilen der EU, aber auch in großen Gebieten Russlands bleiben ausreichende Niederschläge in den nächsten Wochen Voraussetzung dafür, dass die bisher unterstellten guten Erträge auch realisiert werden können. Bleibt der Regen aus, sind auch schnell wieder steigende Preise möglich. Allerdings bleibt als große Unbekannte der weitere Verlauf der Corona-Pandemie. Sollten neue „lock downs“ notwendig werden und sich die Weltkonjunktur noch stärker eintrüben, könnte dies zu stärkeren Rückgängen in der Nachfrage mit entsprechendem Preisdruck führen. Und auch die handelspolitischen Themen, insbesondere der Konflikt zwischen den USA und China, sind noch nicht vom Tisch, so dass die Volatilität an den Märkten hoch bleiben wird.

Autor: Dr. Klaus-Dieter Schumacher – AgriConsult, Seevetal