Auf den internationalen Getreide- und Ölsaatenmärkten rückt das am 1. Juli beginnende Wirtschaftsjahr 2019/20 immer stärker in den Fokus. Für Unruhe sorgt weiterhin vor allem der Handelskonflikt zwischen den USA und China. Möglich erscheint, dass die USA und China Ende Juni am Rande des G-20 Gipfels in Japan eine Einigung erzielen und damit keine weitere Eskalation der Handelssanktionen erfolgt. Auf den Agrarmärkten würde eine Einigung wahrscheinlich zu steigenden Preisen führen, da die USA dann wieder mehr Sojabohnen, Schweinefleisch und wohl auch Mais und Weizen nach China exportieren könnten. Unsicherheit herrscht wie immer zu diesem Zeitpunkt über die Höhe der weltweiten Ernten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Aussichten für die Getreide- und Ölsaatenerzeugung gut bis sehr gut. Dies hat auch das Landwirtschaftsministerium der USA (USDA) in seiner ersten Schätzung für die internationalen Getreide- und Ölsaatenernten 2019/20 Mitte Mai bestätigt.
Danach wird die weltweite Produktion von Getreide (Weizen und Futtergetreide, ohne Reis) erstmals mehr als 2,2 Mrd. t erreichen, ein Anstieg um fast 4 % im Vergleich zum Vorjahr. Trotz anhaltenden Zuwachses der Nachfrage, kommt es auf Basis dieser Zahlen damit bereits nach nur einem Jahr des Rückgangs zu einem Wiederaufbau der Bestände um rund 10 Mio. t. Die Märkte reagierten auf diese Einschätzung des USDA mit einem kräftigen Rückgang der Preise. Zeitweise fielen die Kurse auf das niedrigste Niveau seit mehr als einem Jahr.
In der Zwischenzeit haben die Notierungen aber wieder deutlich zugelegt. Hierfür sind für vor allem ungünstige Witterungsbedingungen in den USA verantwortlich. Nahezu sintflutartige Regenfälle haben in den letzten Wochen zu sehr starken Verzögerungen bei der Aussaat von Mais geführt und behindern nun auch die Sojabohnenaussaat. So konnten bis Ende Mai nur rund 60 % der geplanten Maisflächen bestellt werden – das schlechteste Ergebnis seit Beginn der Aufzeichnungen vor fast 40 Jahren. Zum Vergleich: im Vorjahr war die Aussaat Ende Mai bereits fast beendet. Entsprechend gehen die Marktteilnehmer mittlerweile davon aus, dass die Maisanbaufläche 2019 etwa 4 Mio. ha geringer als geplant ausfallen wird. Zudem muss aufgrund der Aussaatverzögerungen und des späten Beginns der Vegetationsperiode von unterdurchschnittlichen Erträgen in diesem Jahr ausgegangen werden. Eine kleinere Ernte wird zu einem Abbau der Bestände in den USA führen und auch die Weltbilanz für Futtergetreide deutlich enger werden lassen – der maßgebliche Grund für den jüngsten Preisanstieg.
Die nasse Wetterlage führt auch zu einer verzögerten Sojaaussaat und schlechteren Bonitierungen bei Weizen, so dass Abstriche bei den bisherigen Ertragserwartungen auch hier gemacht werden müssen. Zudem besteht die Gefahr, dass sich eine heiße und trockene Wetterlage in den wichtigen Weizengebieten Russlands anbahnt und auch dort die bisher sehr guten Ertragsaussichten nach unten korrigiert werden müssen. Diese Entwicklung ist sicherlich noch kein Grund, heute schon weiter stark steigende Preise zu prognostizieren, die Stimmung im Markt hat sich aber gedreht.
Bei den Ölsaaten zeichnen sich für 2019/20 Produktionsrückgänge ab. So soll die Welterzeugung von Sojabohnen laut USDA von rund 362 Mio. t im letzten Jahr auf ca. 355 Mio. t im neuen Wirtschaftsjahr sinken. Dieser Rückgang geht fast ausschließlich auf das Konto der USA, die nur noch rund 113 Mio. t produzieren sollen nach fast 124 Mio. t 2018. Wahrscheinlich fällt die Ernte aufgrund der bereits erwähnten schlechten Aussaatbedingungen und einer daraus resultierenden kleineren Anbaufläche noch niedriger aus. Dem steht allerdings voraussichtlich erstmals seit vielen Jahren eine leicht kleinere Nachfrage gegenüber, ausgelöst durch die in China grassierende afrikanische Schweinepest und die damit einhergehende niedrigere Nachfrage nach Sojaschrot.
Die Welterzeugung von Raps könnte laut USDA dagegen um etwa 2 auf knapp 75 Mio. t zunehmen. Allerdings ist das USDA bisher zu optimistisch in Bezug auf die Ernte in der EU, die Mitte Mai auf noch knapp 20 Mio. t geschätzt wurde. Realistischer ist eine Ernte von nur ca. 18 Mio. t nach rund 20 Mio. t 2018 und noch 22,2 Mio. t 2017.
Was lässt ein Ausblick für die EU und Deutschland erwarten?
■ Die gesamte EU-Getreideproduktion 2019 wird von der EU Kommission zurzeit auf rund 311 Mio. t geschätzt, ein Plus von ca. 21 Mio. t bzw. 7 % im Vergleich zu 2018. Während die Anbaufläche um 2 % ausgeweitet wurde, sollen die Erträge mit durchschnittlich 5,5 t/ha um 4 % höher liegen als im Jahr 2018.
■ Der Anbau von Weizen wurde um 3 % auf 26,2 Mio. ha ausgedehnt. Bei Rückkehr zu durchschnittlichen Erträgen wird ein Anstieg der Erzeugung auf ca. 152 Mio. t erwartet, ein Plus von fast 11 % im Vergleich zu den stark unterdurchschnittlichen 137,2 Mio. t im letzten Jahr.
■ Der Anbau von Gerste bleibt mit 12,4 Mio. ha unverändert zu 2018, während die Produktion aufgrund der besseren Ertragsaussichten von 56,5 auf gut 61 Mio. t steigen soll.
■ Wie bereits erwähnt dürfte die Rapserzeugung erneut niedriger ausfallen und nur etwa 18 Mio. t erreichen. Diese Vorschätzungen für die diesjährigen Ernten basieren darauf, dass wir bis zur Ernte normale Witterungsverhältnisse mit ausreichendem Regen und nicht zu vielen heißen Tagen haben werden. Die Wahrscheinlichkeit für zumindest durchschnittliche Erträge ist nach den Niederschlägen im Mai in den meisten Regionen der EU gegeben. Das Risiko, dass die EU und insbesondere Deutschland 2019 erneut eine unterdurchschnittliche Getreideernte einfahren werden, ist aber noch nicht gebannt. Dies gilt insbesondere in Norddeutschland, in Teilen Skandinaviens und im Vereinigten Königreich.
In Deutschland haben die Landwirte die Anbaufläche für Getreide in diesem Jahr um knapp 5 % auf 6,4 Mio. ha ausgeweitet. Basierend auf durchschnittlichen Erträgen könnte die Getreideernte 2019 auf 47 bis 48 Mio. t steigen, während es im letzten Jahr nur rund 38 Mio. t waren. Vorausgesetzt, dass in den nächsten Tagen und Wochen regelmäßiger und ausreichender Niederschlag fällt (aber auch kein Starkregen zu Überschwemmungen führt), könnte sich die Erzeugung von Weizen kräftig erholen und mit 24 bis 25 Mio. t deutlich über den sehr niedrigen 20 Mio. t des letzten Jahres liegen. Ein ähnlich starker Anstieg ist für die Produktion von Gerste zu erwarten. Während 2018 nur 9,6 Mio. t geerntet werden konnten, dürften es in diesem Jahr ca. 12 Mio. t werden. Kräftig ausgeweitet wurde der Anbau von Roggen um mehr als ein Fünftel auf über 630.000 ha. Entsprechend kann mit einem Anstieg der Produktion von nur 2,2 auf ca. 3,5 Mio. t gerechnet werden. Aufgrund der Flächenreduzierung auf unter 900.000 ha (2018 waren es noch 1,2 Mio. ha) wird die Rapserzeugung in Deutschland weiter sinken, voraussichtlich auf nur etwa 3 Mio. t nach 3,6 Mio. t 2018.
Was bedeutet dies nun für die Preisentwicklung auf dem Getreide- und Ölsaatenmarkt?
Entscheidend für die nächsten Wochen wird sein, wie stark die Aussaat von Mais und Sojabohnen in den USA hinter den Erwartungen zurückbleiben wird und wie sich dort die Ertragsaussichten entwickeln. Sollte es zusätzlich zu den kleineren Anbauflächen auch noch stark unterdurchschnittliche Erträge geben, werden die Versorgungsbilanzen nicht nur in den USA, sondern auch global deutlich enger und sollten weiter steigende Preise nach sich ziehen. In Deutschland und der EU wird wie in den letzten Jahren die Entwicklung in Russland und der Ukraine entscheidend für den weiteren Marktverlauf sein. Noch wird in Russland mit einer sehr guten Weizenernte von über 80 Mio. t gerechnet, 8 Mio. t mehr als Vorjahr. Damit würde Russland der mit Abstand wichtigste Exporteur von Weizen auf dem Weltmarkt bleiben und die Exportmöglichkeiten der EU und Deutschlands vor allem in der ersten Hälfte des Wirtschaftsjahres 2019/20 erneut stark begrenzen. Sollte es aber wie erwähnt in der ersten Junihälfte dort heiß und trocken sein und die Weizenernte unter 80 Mio. t fallen sollte, dürften auch die Weizenpreise sowohl auf dem Weltmarkt als auch in der EU steigen. Solch eine Entwicklung hätte dann unmittelbar Auswirkungen auf den Getreideabsatz im deutschen Markt. Falls die russische Weizenernte doch wie erwartet gut ausfällt, bleiben die Exportaussichten für deutschen Weizen relativ schlecht. Bei einer deutschen Weizenernte von rund 25 Mio. t würde Weizen erneut verstärkt in den Futtersektor drängen und Mais und Roggen im Mischfutter ersetzen und das Preispotential nach oben begrenzen.
Autor: Dr. Klaus-Dieter Schumacher – AgriConsult, Seevetal